Anaïs Clerc
2025/26

ANAÏS CLERC, gebo­ren im schwei­ze­ri­schen Fri­bourg, fand durch Jugend­pro­jekte und einen päd­ago­gi­schen Zugang zum Thea­ter. Sie stu­dierte Sze­ni­sches Schrei­ben an der Uni­ver­si­tät der Künste in Berlin und am Schwei­ze­ri­schen Literaturinstitut.

Seit drei Jahren sind ihre Texte u. a. am Volks­thea­ter Mün­chen, am Stadt­thea­ter Gies­sen, im Nacht­asyl des Thalia Thea­ter Ham­burg und an den Autor:innentheatertagen am Deut­schen Thea­ter Berlin zu sehen.

In der Spiel­zeit 2022/23 absol­vierte sie das För­der­pro­gramm Dra­men­pro­zes­sor des Thea­ters Win­kel­wiese und gewann mit der Stück­ent­wick­lung «befristet/ für immer», eine Arbeit mit dem Regis­seur Tanju Girişken, den Publi­kums­preis des Körber Festi­val Junge Regie. Anaïs Clerc ist gemein­sam mit Yazan Melhem Preis­trä­ge­rin des Osnabrücker-Dramatiker:innen-Preises für «die gegan­gen sind», zeit­gleich wurde sie für ihr Stück «Lügen­haut» mit einem der Son­der­preise für Schrei­ben für junges Publi­kum aus­ge­zeich­net. 2023/24 war sie Haus­au­torin an den Bühnen Bern und wurde mit «bren­nen­des haus» für den Autor:innenpreis des Hei­del­ber­ger Stücke­markts nominiert.

In ihren Texten setzt sie sich mit sozia­ler Unge­rech­tig­keit, poli­ti­schen Fragen und kon­kre­ten Figu­ren, die oft auf wahren Begeg­nun­gen basie­ren, aus­ein­an­der. Sie ist aus­ser­dem für Kinder — und Jugend­thea­ter als Juro­rin tätig. Anaïs lebt in Berlin und in der Schweiz.

In Langenthal schreibt Anaïs Clerc an einem Prosatext.

Bild: Nicola Faegg

Theaterproduktionen und ‑publikationen

Schimmernde Schluchten, Bühnen Bern, Vidmar 2

Drei braun­weisse Bern­har­di­ner altern in ihrem ver­wit­ter­ten Holz­ver­schlag vor sich hin, um ihre fel­li­gen Hälse hängen die iko­ni­schen klei­nen Eichen­fäss­chen. Wir befin­den uns am Fusse eines gros­sen Schwei­zer Bergs. Idyl­lisch? In dieser Alpen­welt hat alles Augen und Ohren, und alles spricht. Der Berg grollt, die braun-weis­sen Ret­tungs­hunde sind sich nicht mehr einig, wen sie retten wollen. Der (gesell­schaft­li­che) Boden schwankt. Die Geschwi­ster Armin und Armela ringen mit­ein­an­der in einem Kon­flikt zwi­schen links und rechts, Ideo­lo­gie und Fana­tis­mus, Worten und Schwei­gen. Ist es besser, nichts zu tun? Oder ist es gefähr­li­cher denn je?

Das Stück wurde im Januar 2025 an den Bühnen Bern uraufgeführt.

faulender Mond, Münchner Volkstheater

Zwei Frauen arbei­ten in einer Flei­sche­rei. Dort sind die beiden Gestran­de­ten sich selbst über­las­sen. Auch wenn sie bei ihrem groben Hand­werk gerne mal aus­tei­len, sind die beiden für­ein­an­der da. Das Bele­gen lusti­ger Sand­wi­ches bietet Ablen­kung und die Gele­gen­heit, ein­an­der ken­nen­zu­ler­nen. Beide schei­nen zwangs­läu­fig hier gelan­det zu sein. Die eine als erfolg­lose Schau­spie­le­rin und die andere als spiel­süch­tige Fahr­kar­ten­kon­trol­leu­rin. Ihre Sehn­süchte tref­fen sich im Mond: Luna ist der Name des unge­bo­re­nen Kindes der einen, wäh­rend die andere sich sicher ist, dass der Big-Moon-Joker beim näch­sten Mal end­lich Geld aus­spuckt. Da es aber noch nie so weit kam, ist sie wegen Zah­lungs­rück­stän­den und ande­rer Ver­ge­hen vor­be­straft. Nur in der Flei­sche­rei hat sie noch eine Anstel­lung gefun­den. Aber sind die zwie­lich­ti­gen Besit­zer ihr gegen­über wirk­lich auf­rich­tig, oder ist sie ihnen bloss Mittel zum Zweck auf deren Weg zur Macht?
Anaïs Clerc hat ein Stück über Freund­schaft, Empa­thie und ihre Gren­zen geschrie­ben. Humor­voll und voller Liebe zeich­net sie Figu­ren, die durch das gesell­schaft­li­che Raster fallen und ver­an­schau­licht die Gefahr, auf der Suche nach Halt in den fal­schen Armen zu landen.

Publi­ziert bei S. Fischer Thea­ter Medien.

Bild: Gabriela Neeb

brennendes haus, Theater Winkelwiese, Zürich

Die Jüng­ste will jetzt reden, denn da, wo sie her­kommt, haben immer die Älte­sten das Wort. Der Tod des Älte­sten bietet Anlass, um lang Ver­schwie­ge­nes auf­zu­rol­len. Der Wunsch Ver­gan­ge­nes auf­zu­ar­bei­ten, trifft auf eine Stra­te­gie des Ver­ges­sens durch Schwei­gen. Denn die Männer in der Fami­lie reden nicht.
bren­nen­des haus ist eine Fami­li­en­ge­schichte, die von der Zusam­men­kunft dreier Gene­ra­tio­nen erzählt. Was haben sich Toch­ter, Vater und Gross­va­ter nach all dieser Zeit in einem fik­ti­ven Dialog zu sagen, was gerät in Ver­ges­sen­heit, was bleibt für immer, und werden Trau­mata wirk­lich ver­erbt? Warum hat der Gross­va­ter nie über seine Ver­gan­gen­heit als Ver­ding­kind gere­det, warum hat der Vater bis tief in die Nacht gear­bei­tet und gelingt es der Toch­ter, sich im Thea­ter doch noch hei­misch zu fühlen?

Publi­ziert bei S. Fischer Thea­ter Medien.

Bild: Ralph Kuehne