Demian Lienhard
2024/2025
Demian Lienhard ist 1987 in Bern geboren und in Baden aufgewachsen. Er hat Klassische Archäologie, Latinistik und Hispanistik in Zürich, Köln und Rom studiert und nahm an zahlreichen Grabungsprojekten in Albanien, Griechenland und Italien teil. Er wurde an der Universität Köln mit einer Arbeit zu römischem Städtebau promoviert. Danach arbeitete er eine Zeitlang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Frankfurt. Heute ist er freischaffender Schriftsteller.
Demian Lienhard hat verschiedene Preise und Stipendien erhalten. Sein erster Roman »Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat« (FVA 2019) stand auf der Shortlist des Klaus-Michael-Kühne-Preises für das beste deutschsprachige Debüt und wurde 2020 mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein zweiter Roman »Mr. Goebbels Jazz Band« (FVA 2023) stand auf der Shortlist für den Schweizer Buchpreis und ist 2024 auf Italienisch erschienen. Derzeit wird der Roman in weitere Sprachen übersetzt. In Langenthal arbeitet er an seinem dritten Roman.
Publikationen
Ich bin die, vor der mich meine Mutter gewarnt hat
Demian Lienhard, Roman
Ausser der Hochbrücke ist nichts besonders an der kleinen Stadt, in der Alba lebt – die 25 Meter fällt man bei Windstille in 2,28 Sekunden, die Strasse darunter ist statistisch gesehen die tödlichste der Schweiz. Das Schuljahr ist noch nicht vorbei, und schon hat Alba auf diese Weise drei Mitschüler verloren. In Zürich gehen die Jugendlichen auf die Barrikaden, sie kämpfen für kulturellen Freiraum, gegen Wohnungsnot, Drogenelend, Überwachung. »Macht aus dem Staat Gurkensalat!«, lautet die Parole. Alba ist mittendrin und hat dazu noch ihre ganz eigenen Probleme. Eines davon: Jack. Eigentlich heisst er René, aber Jack ist einfach passender. Kurz nach Albas ›Unfall‹ werden sie ein Paar. Für einmal ist Alba glücklich, aber keiner weiss besser als sie, dass alles einen Haken hat – gerade das Glück. Und wenn man erst auf die schiefe Bahn gerät, geht es rasant bergab … oder?
Mit frappierender Originalität, intelligentem Witz und einer kompromisslosen Tragik folgt Demian Lienhard seiner jungen, erfrischend widerborstigen und einnehmenden Ich-Erzählerin Alba bei ihren Höhenflügen und Tiefschlägen durch die knisternde Atmosphäre der 1980er und frühen 1990er in der Schweiz, geprägt von wachsenden sozialen Problemen und einer aufrührerischen Jugendbewegung. Der glühende Kern des sprachsicheren und virtuosen Romans aber ist die rebellische Erzählstimme selbst, eine funkensprühende Verbindung aus ›Smells Like Teen Spirit‹, ›La Boum‹ und einer unwiderstehlichen Warmherzigkeit, schelmischem Humor und Sprachwitz – Alba würde man überallhin folgen, sogar auf diesen Höllentrip.
Roman
Frankfurter Verlagsanstalt
2019
384 Seiten
ISBN 978–3‑627–00260‑2
Mr. Goebbels Jazz Band
Demian Lienhard, Roman
Berlin, Frühjahr 1940. Auf Beschluss von Joseph Goebbels wird für den Auslandsradiosender Germany Calling eine Big Band gegründet, die als Mr. Goebbels Jazz Band internationale Bekanntheit erlangt. Die besten europäischen Musiker, darunter auch Ausländer, Juden und Homosexuelle, spielen im Dienst der NS-Propaganda wortwörtlich um ihr Überleben – ausgerechnet mit Jazz, der als »entartet« galt. Bis zu 6 Millionen britische Haushalte täglich lauschen den Swing-Stücken mit anti-alliierten Hetztexten und dem Star-Moderator William Joyce alias Lord Haw-Haw, der nach seinem Aufstieg in der British Fascist Union aus London nach Berlin geflohen war. Joyce soll den Erfolg »an der Front im Äther« literarisch dokumentieren lassen. Der dafür ausgewählte Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler findet sich im Zuge seines Auftrags, einen Propagandaroman über die Band zu schreiben, in verruchten Berliner Clubs und illegalen Jazzkellern wieder, trinkt zu viel Cointreau, verzettelt sich in seinen Recherchen und muss nicht nur die Skepsis der Musiker überwinden, sondern auch seine gefährlichen Auftraggeber über das schleppende Vorankommen seines Unterfangens hinwegtäuschen.
Demian Lienhard erzählt die ungeheuerliche (fast bis ins Detail wahre) Geschichte von Mr. Goebbels Jazz Band und des berüchtigten Radiosprechers William Joyce. In furiosem Tempo jagt Lienhard seinen Figuren von New York nach Galway, London, Manchester, Zürich, Danzig und Berlin nach und stellt den menschenverachtenden Zynismus des NS-Staats ebenso bloss wie die Perfidie der Nazi-Propaganda. Gezeigt wird das Scheitern künstlerischer Produktion im Dienste einer Ideologie, wobei auch die eigene Erzählung verschmitzt unterwandert wird, bis hin zum überraschenden Paukenschlag.
Roman
Frankfurter Verlagsanstalt
2023
320 Seiten
ISBN 978–3‑627–00306‑7